Fast wie Neujahrsbaden - Über eine Wiener Badegesellschaft
Foto: © Unbekannt - Natürlich war es der kurze, handgeschriebene Hinweis, der das Interesse weckte. "Wiener Touristen Finsterwalde" steht auf der Rückseite einer gut erhaltenen, nicht verschickten Postkarte; Finsterwalde ist unterstrichen. Aber eigentlich ist es dann doch die überraschende Kombination aus Text und Foto. Denn auf der Vorderseite ist eine kleine Badegesellschaft am Rande eines Sees oder Flusses sehen. Die naheliegende Frage drängt sich auf: Wo ist dieses Foto entstanden? Vermeintlich gab und gibt es weder in noch in unmittelbarer Umgebung von Finsterwalde eine solche Badestelle. Zweifel, ob es sich überhaupt um das Finsterwalde im Landkreis Elbe-Elster handelt, kommen auf.
Die Postkarte gibt eine weitere Information preis. Der Beschriftung nach handelt es sich um den 5. Juni 1921. Ein heißer Junitag. Das besagt zumindest das Archiv des deutschen Wetterdienstes (DWD). Seit Anfang des Monats schon war die Temperatur jeden Tag weiter angestiegen. An diesem Sonntag betrug die Höchsttemperatur im südlichen Brandenburg knapp 34 Grad. Ein guter Grund also baden zu gehen, denn tags darauf sollte es einen Wetterumschwung mit einem Temperaturrückgang von mehr als 10 Grad geben. Die Tageshöchstwert betrug dann nur noch etwas über 20 Grad. Gleichwohl war 1921 ein ungewöhnlich trockenes Jahr.
Über die siebzehn abgebildeten Badegäste ist weiter nichts bekannt. Der Großteil steht halbtief am Rande des Gewässers, eine kleine Gruppe lagert am Ufer. Vermutlich stammen sie aus Wien. Was sie nach Finsterwalde geführt hat, erschließt sich dem Betrachter leider nicht. Alle schauen in Richtung des an Land befindlichen Fotografen. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch zu erkennen, dass der dritte Badende von links nachträglich von Hand mit einem kleinen Kreuz versehen wurde. In analogen Zeiten war das auf Postkarten durchaus üblich. Heute sind Personen dank Selfies meist deutlich genug zu erkennen und benötigen daher kein Kreuz mehr; höchstens ein digitales. Leider bleibt das Kreuz auf dem Foto ohne Erläuterung; sie fehlt sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite.
Mit etwas Zeit und Geduld lässt sich der Ort der Aufnahme dann doch etwas genauer bestimmen. Was sich für den ungeübten Leser deutscher Fraktur-Schrift zunächst wie "Elternwanderung" las, stellt sich schließlich als "Elsterwanderung" heraus. Die Schwarze Elster ist ein rechter Nebenfluss der Elbe und hat ihren Ursprung im Oberlausitzer Bergland in Sachsen. Dieses Fließgewässer gewann ab 1800 für Landwirtschaft, Kommunen und Bergbauindustrie zunehmend an gewerblichen Interesse. In kaum einen anderen Flusslauf in Mitteleuropa ist dabei so stark eingegriffen worden. Unter dem Eindruck einer sich entwickelnden Badekultur und Körperhygiene bildeten sich jedoch ganz andere Bedürfnisse. Erste Flussbadeanstalten in Senftenberg (1893), in Elsterwerda (1910) und in Mückenberg (1914) eröffneten [siehe Armenant, M. (2012): Die "vollkommene Ausbildung" der Schwarzen Elster, S. 242ff]. Dies geschah zusätzlich aus Gründen der Sittlichkeit. Ein gemeinsames Baden von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen unter freiem Himmel war unüblich. Bis Ende der 1920er Jahre hat die industrielle Verunreinigung der Schwarzen Elster u.a. aufgrund der Abwässer aus Brikett- und Tuchfabriken sowie der Einleitung von Laugen einer neuen Aluminiumhütte derart zugenommen, dass die Flussbäder wieder geschlossen werden mussten.
Ein Seitenarm der Schwarzen Elster, die Kleine Elster, fliest etwa drei Kilometer nördlich an Finsterwalde vorbei in westliche Richtung. Das könnte das Ziel der Wiener Wander- und Badegesellschaft gewesen sein. Gleichzeitig kann es sich um die Mündung in die Schwarze Elster bei Wahrenbrück handeln. Nur die Schwarze Elster dürfte die ausreichende Tiefe für die gewünschte Abkühlung an diesem heißen Sommertag gehabt haben. Ganz ausgezeichnet passen würde aber auch die Mündung der Kremitz in die Schwarze Elster bei Mönchenhofe. Das zeigt ein Vergleich mit einem entsprechenden Mündungsfoto. Die Frage nach dem genauen Entstehungsort des Fotos lässt sich daher zumindest näherungsweise beantworten.
Es ist erstaunlich, was sich aus einem Zufallsfund auf einem Flohmarkt für eine interessante Geschichte entwickeln kann. Auch Dank digitaler Zeiten; denn es war ein eBay-Fundstück. Ein frohes und gesundes Neues Jahr!
Die Postkarte gibt eine weitere Information preis. Der Beschriftung nach handelt es sich um den 5. Juni 1921. Ein heißer Junitag. Das besagt zumindest das Archiv des deutschen Wetterdienstes (DWD). Seit Anfang des Monats schon war die Temperatur jeden Tag weiter angestiegen. An diesem Sonntag betrug die Höchsttemperatur im südlichen Brandenburg knapp 34 Grad. Ein guter Grund also baden zu gehen, denn tags darauf sollte es einen Wetterumschwung mit einem Temperaturrückgang von mehr als 10 Grad geben. Die Tageshöchstwert betrug dann nur noch etwas über 20 Grad. Gleichwohl war 1921 ein ungewöhnlich trockenes Jahr.
Über die siebzehn abgebildeten Badegäste ist weiter nichts bekannt. Der Großteil steht halbtief am Rande des Gewässers, eine kleine Gruppe lagert am Ufer. Vermutlich stammen sie aus Wien. Was sie nach Finsterwalde geführt hat, erschließt sich dem Betrachter leider nicht. Alle schauen in Richtung des an Land befindlichen Fotografen. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch zu erkennen, dass der dritte Badende von links nachträglich von Hand mit einem kleinen Kreuz versehen wurde. In analogen Zeiten war das auf Postkarten durchaus üblich. Heute sind Personen dank Selfies meist deutlich genug zu erkennen und benötigen daher kein Kreuz mehr; höchstens ein digitales. Leider bleibt das Kreuz auf dem Foto ohne Erläuterung; sie fehlt sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite.
Mit etwas Zeit und Geduld lässt sich der Ort der Aufnahme dann doch etwas genauer bestimmen. Was sich für den ungeübten Leser deutscher Fraktur-Schrift zunächst wie "Elternwanderung" las, stellt sich schließlich als "Elsterwanderung" heraus. Die Schwarze Elster ist ein rechter Nebenfluss der Elbe und hat ihren Ursprung im Oberlausitzer Bergland in Sachsen. Dieses Fließgewässer gewann ab 1800 für Landwirtschaft, Kommunen und Bergbauindustrie zunehmend an gewerblichen Interesse. In kaum einen anderen Flusslauf in Mitteleuropa ist dabei so stark eingegriffen worden. Unter dem Eindruck einer sich entwickelnden Badekultur und Körperhygiene bildeten sich jedoch ganz andere Bedürfnisse. Erste Flussbadeanstalten in Senftenberg (1893), in Elsterwerda (1910) und in Mückenberg (1914) eröffneten [siehe Armenant, M. (2012): Die "vollkommene Ausbildung" der Schwarzen Elster, S. 242ff]. Dies geschah zusätzlich aus Gründen der Sittlichkeit. Ein gemeinsames Baden von Frauen und Männern, Mädchen und Jungen unter freiem Himmel war unüblich. Bis Ende der 1920er Jahre hat die industrielle Verunreinigung der Schwarzen Elster u.a. aufgrund der Abwässer aus Brikett- und Tuchfabriken sowie der Einleitung von Laugen einer neuen Aluminiumhütte derart zugenommen, dass die Flussbäder wieder geschlossen werden mussten.
Ein Seitenarm der Schwarzen Elster, die Kleine Elster, fliest etwa drei Kilometer nördlich an Finsterwalde vorbei in westliche Richtung. Das könnte das Ziel der Wiener Wander- und Badegesellschaft gewesen sein. Gleichzeitig kann es sich um die Mündung in die Schwarze Elster bei Wahrenbrück handeln. Nur die Schwarze Elster dürfte die ausreichende Tiefe für die gewünschte Abkühlung an diesem heißen Sommertag gehabt haben. Ganz ausgezeichnet passen würde aber auch die Mündung der Kremitz in die Schwarze Elster bei Mönchenhofe. Das zeigt ein Vergleich mit einem entsprechenden Mündungsfoto. Die Frage nach dem genauen Entstehungsort des Fotos lässt sich daher zumindest näherungsweise beantworten.
Es ist erstaunlich, was sich aus einem Zufallsfund auf einem Flohmarkt für eine interessante Geschichte entwickeln kann. Auch Dank digitaler Zeiten; denn es war ein eBay-Fundstück. Ein frohes und gesundes Neues Jahr!